Gottes Wort inszenieren?! Lektoren-Workshop in Zürich, Oktober 2019

Kann man Gottes Wort inszenieren? Ist Gottesdienst wie Theater? Ist das Wort Gottes nicht eigentlich unverfügbar? Wie bereite ich mich auf eine Lesung in der Kirche vor?

Solche theologischen und auch ganz praktischen Fragestellungen standen auf der Tagesordnung des Workshops für LektorInnen unserer BELK-Gemeinden (BELK= Bund Evang.-Luth. Kirchen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein) am Samstag, den 19. Oktober in Zürich.

Drei Orte, zwei Referenten sowie 14 Teilnehmende aus Zürich, Basel, Bern und Genf im Alter von 17-75 Jahren prägten den spannenden und lehrreichen Tag. Nach dem Beginn in der Martin-Luther-Kirche mit Bibelwort und Lied stellten sich alle Anwesenden dort zunächst jeweils anhand verschiedener Fragen zu einem Soziogramm auf und stellten dabei fest, wie lange oder kurz oder ganz neu sie LektorIn sind. „Habe ich immer alle Texte verstanden, die ich lesen musste? Lese ich den Text vorher laut oder leise, mache ich mir Notizen dazu, ist mir schon mal etwas Spannendes passiert bei einer Lesung?“ Diese Fragen brachten die 14 teilnehmenden neuen oder erfahrenen LektorInnen zusammen.

Besonders über die Fragestellung der Referentin Carola Berendts, ob Gottesdienst wie eine Theateraufführung ist, kam man gleich ins Gespräch. Carola Berendts ist eine 38-jährige Zürcher Theaterpädagogin und Lehrerin aus der Lutherischen Kirche Zürich, die ihre Kenntnisse und Erfahrungen aus der Theater- und Musicalszene kompetent und verständlich einbrachte. Später im Gemeindehaus der Schwedischen Kirche gab es vor und nach einer feinen Kürbissuppe praktische Tipps zum „Auftritt“, die auch Schauspieler beherzigen: Atemtechniken, Übungen zum Stehen und Gehen in der Kirche und wie ich mich auf Texte vorbereite, das waren für die Teilnehmenden wertvolle praktische Hinweise.

Auch Gespräche über theologische Fragen kamen in den Blick, als Pfarrer Thomas Risel aus Zürich ein paar Thesen aufstellte: „Ja, man kann Gottes Wort inszenieren. Nein, wir sollten den Heiligen Geist nicht zu arg strapazieren“ und „ja, Gottes Wort ist und bleibt trotz aller nützlichen Übung unverfügbar“. Wichtig war bei den praktischen und auch den theoretischen Themen des workshops, dass man sich bewusst sein muss: es hat in jedem Fall eine Wirkung, was ich tue, wie ich „auftrete“ und lese. Im Sinne einer «Best practice» tauschten sich alle untereinander über Erfahrungen aus. Dann ging es schließlich zu praktischen Proben noch in die benachbarte Reformierte Kirche Unterstrass. Dort finden während der Bauzeit des neuen Gemeindehauses der Zürcher Gemeinde 14-tägig die Gottesdienste statt. Die Kirche war gleich eine ernsthafte Herausforderung zur Akustik und Sprechweise. Anhand von Bibeltexten des aktuellen Kirchenjahres konnten sich die LektorInnen ausprobieren. Scheinbar leichte Texte wie die Zehn Gebote oder die Seligpreisungen der Bergpredigt sowie ein verschachtelter Paulus-Text waren eine gute Übung. So gingen alle Teilnehmenden nach sehr positivem Feedback zufrieden und geschärft für ihre „Auftritte“ wieder zurück in ihre Gemeinden.

Auch im kommenden Jahr 2020 soll im Herbst wieder ein Workshop u.a. mit Carola Berendts stattfinden.

Pfarrer Thomas Risel, Zürich  
Fotos: Heidi Krause und Thomas Risel