Zwölf Worte, ein Fest der Freiheit und die Reformation geht weiter …

Der Bund Evang.-Lutherischer Kirchen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein feiert in Genf mit ökumenischen Gästen das Gedenken und Jubiläum der Reformation (10.9.2017)

12 Bibelworte schweben auf bunten Bändern geschrieben durch den Kirchenraum. Vom Taufbecken aus durch die versammelte Gemeinde hinweg vor den Altar –  alle sprechen das „Wort“ und kommen mit ihm in Berührung: 12 Gemeinden. 8 Sprachen von Norwegisch und Schwedisch über Dänisch, Malegassisch und Finnisch bis zu Englisch, Französisch und Deutsch:

alle in der Schweiz ansässigen Lutherischen Kirchen und Gemeinden sowie die gastgebende Deutsch-Schweizer Reformierte Gemeinde feiern in deren Kirche, dem Temple de la Madeleine in Genf, das Gedenken und Jubiläum der Reformation der Kirche 1517-2017. Hier predigten unter anderem die Genfer Reformatoren Guillaume Farel und Jean Calvin. Im Turm der Kirche hängt die älteste Glocke der Stadt.

Es ist Sonntag, der 10. September 2017. Über 250 lutherische Christen aus der Schweiz und Liechtenstein reisen an diesem sonnigen Spätsommertag nach Genf. Treffpunkt ist neben dieser zweitältesten Kirche der Stadt nach dem Gottesdienst die um die Ecke liegende  Lutherische Kirche Genf und das „Bateau de Genève“, ein soziales Gastronomieprojekt, auf einem Schiff am Genfer See festgemacht. Gemeinsames Mittagessen auf dem Bateau, Vorträge, Stadttouren und Rallyes für Kinder und Jugendliche gehören zum Festprogramm an diesem Sonntag, das die Genfer Lutherischen Gemeinden zusammengestellt und bestens organisiert haben. Das Wetter spielt mit an diesem Festtag. Zwischen einzelnen Wolken schaut immer wieder die Sonne aus dem Genfer Himmel. „Es ist wunderbar, hier auf historischem Grund versammelt zu sein. Es stärkt unsere Gemeinden und unsere Gemeinschaft der Lutheraner und Protestanten in der Schweiz.“ erzählt einer der Gottesdienstbesucher aus Basel. Pfarrer Marc Blessing, zuständig für die deutschsprachigen Lutheraner in der internationalen Metropole Genf, begrüsst gemeinsam mit Andy Willis, dem US-Amerikaner aus Minnesota und Pfarrer der englischsprachigen Lutheraner in Genf die Festgemeinde. Beide haben mit einem großen Team lange diesen Tag geplant.

Das Vokalensemble Basel stimmt beeindruckende Werke der Frührenaissance an, der Minister of Music Terry Mac Arthur aus der englischsprachigen Genfer Lutherischen Gemeinde führt die Festgemeinde mit und ohne sein Akkordeon bei temperamentvollen Liedern aus Afrika und Lateinamerika an.  An dem Festgottesdienst nehmen viele Gäste aus anderen Kirchen teil, mit denen wir durch die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz verbunden sind, ebenso wie 13 Bischöfinnen und Bischöfe aus der lutherischen Weltgemeinschaft, die sich zu einer Tagung in Genf aufhielten.

Für die Konfirmanden gibt es am Nachmittag eine spannende Rallye durch die geschichtsträchtige Altstadt von Genf, der Stadt der Reformation, die durch Calvin und andere auch von hier aus um die Welt ging so wie Luthers Thesen und Schriften von Wittenberg aus. Wir gehen vorbei an der Cathédrale St. Pierre, Calvins Predigtstätte, in der noch sein Stuhl steht, ebenso wie an weltberühmten Genfer Schokoladengeschäften und der 250 Jahre alten, äusserlich wie ein Patrizierhaus erscheinenden Kirche am Place de Bourg de Four nahe dem Palais de Justice. Die 13-jährigen von heute treffen auf die Zeugnisse der reformatorischen Kirche aus 500 Jahren.

Auf dem Bateau de Genève hält Barbara Blum einen fundierten Vortrag über die Entstehung und Entwicklung des BELK. Dabei nennt sie auch die unterschiedliche Prägung der lutherischen Gemeinden in der Schweiz. Die Spannungen, die es dadurch gegeben hatte, sind heute weitgehend überwunden. Die Gemeinschaft ist durch die vom BELK organisierten zahlreichen Seminare, Veranstaltungen und Fortbildungen vertieft worden. Im Blick auf die Zukunft äußert sie den Wunsch auf Mitgliedschaft auch der skandinavischen lutherischen Kirchen in der Schweiz. Auf die Geschichte des Martin-Luther-Bundes (MLB) in der Schweiz wirft Daniel Reicke noch einen kurzen Blick und lädt zum 50jährigen Jubiläum des MLB am 15. Oktober in Basel ein. Musikalisch umrahmt wurde der Nachmittag von Rebekka Reese mit ihrem Zink.

„Bound to be free – zur Freiheit befreit, durch Christus“, so hallt es vielstimmig und bewegend in Wort und Gesang durch den großen Temple de la Madeleine am Vormittag und weiter an diesem ganzen Tag. „Wir sind versammelt durch das Wort, zur Freiheit, unserer schönsten Bestimmung – bound to be free“. Das wird von diesem Tag aus weiterwirken in die Lutherischen Gemeinden in der Schweiz und Liechtenstein. „Wir haben gespürt, wie das Wort Gottes uns nahe kommt, wir haben die Gemeinschaft dieses Tages erlebt und gefeiert.“ heisst es im Gottesdienst. Der chilenische Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Pfarrer Martin Junge, gerade Augsburger Friedenspreisträger geworden, rief der versammelten Gemeinde in seiner Predigt zu: „Die Vielfalt der Menschen, die sich hier versammelt haben…, verkörpert, dass die Reformation heute Weltbürgerin geworden ist.“ Diese Vielfalt hat aber auch eine Einheit, und das ist die „Botschaft von der Rechtfertigung aus Gnade durch den Glauben..… Das Reformationsjubiläum bietet eine herrliche Gelegenheit, in mitten unserer geplagten Welt dieser kostbaren Botschaft wieder Geltung zu verschaffen.“ Gottes befreiende Handeln ist „not for sale“, nicht für Geld zu haben. Junge formulierte den Auftrag der lutherischen, christlichen Kirche für morgen weiter: „Folgen wir Christi Weg der Inkarnation (=Menschwerdung)…selbstbewusst und froh.“ Gott begegnet uns „nicht nur in Büchern und Texten, sondern auch durch Begegnungen“. Und: „die Reformation ist nicht zu Ende, denn Gottes Mission ist nicht zu Ende.“ Auch den Bund Evangelisch-Lutherischer Kirchen in der Schweiz und Liechtenstein BELK spricht Junge zum Schluss an: „Ihre Kirche, der BELK, ist Teil dieser fortdauernden Reformation… Gehen wir mit Freude und Zuversicht in das nächste Jahrhundert…!“.

Der Präsident des BELK, Pfarrer Jörg Winkelströter aus Basel, bedankt sich bei allen Mitwirkenden und Beteiligten dieses Festtages, die Festgemeinde zieht am Ende weiter durch die Abendsonne am Genfer See zurück in ihre Städte und Orte. Bound to be free, zur Freiheit befreit und ermutigt.

Text und Fotos: Thomas Risel, Pfarrer Ev-Luth. Kirche Zürich, Nordost- und Zentralschweiz. 11.9.2017