Was ist die Vollversammlung? Sie ist das Treffen der Delegierten der Mitgliedskirchen des LWB, die alle 6-7 Jahre zusammentritt, um miteinander die Gemeinschaft zu erneuern und sich zu beraten. Laut Verfassung ist sie die oberste Autorität und das höchste beschlussfassende Organ des LWB und hat folgende Funktionen:
– sie ist verantwortlich für die Verfassung
– sie gibt die inhaltliche Arbeit des LWB vor
– sie wählt den/die Präsident/in und die Ratsmitglieder
– sie billigt die Berichte des/der Präsidenten/in, des/der Generalsekretärs/in und des/der Vorsitzenden des Finanzausschusses.

Der Weg zur 12. Vollversammlung begann mit 4 regionalen vorbereitenden Konsultationen (für Europa in Höör/Schweden 2017). Die Frauen- Vorvollversammlung und die der jungen Menschen fanden unmittelbar vor der Vollversammlung statt. Sie dienen dazu, die Themen der Vollversammlung unter dem speziellen Aspekt der jungen Menschen und der Frauen zu diskutieren.
Ich war Teil des geschäftsführenden Ausschusses der Frauen- Vorvollversammlung. Am letzten Tag vor der Vollversammlung (9.Mai) gab es eine gemeinsame Sitzung der jungen Menschen und der Frauen, um gemeinsame Themen zu identifizieren und sie in Form von Botschaften und Resolutionen in die Vollversammlung einzubringen. (Alle Botschaften, Resolutionen, öffentliche Verlautbarungen stehen auf der Website des LWB zur Verfügung).
Zentrales Thema der Vollversammlung mit Blick auf 500 Jahre Reformation war:
„Befreit durch Gottes Gnade“ (Liberated by God’s grace). In 3 Unterthemen wurde das Hauptthema strukturiert:
– Erlösung – für Geld nicht zu haben (salvation – not for sale)
– Menschen – für Geld nicht zu haben (human beings – not for sale)
– Schöpfung – für Geld nicht zu haben (creation – not for sale).
In einem hervorragenden Studienbuch für die Teilnehmenden wurden die Themen theologisch in ihren unterschiedlichen Aspekten behandelt.
Die Struktur der Vollversammlung und der innere Zusammenhang sind um das Spannungsfeld der befreienden Gnade angelegt, die gleichzeitig Gabe und gemeinsame Aufgabe ist. Jeder Tag hatte daher einen wiederkehrenden Rhythmus, der sich aus folgenden Elementen zusammensetzte:
- Zeit vor Gott (Morgenandacht und Bibelarbeit; 8:00-9:30h)
- Einsicht finden: Plenarsitzungen zum jeweiligen Tagesthema
- Nachdenken und voneinander lernen; Dorfgruppen für themenbezogene Besinnung und „Omatala“ (Markt der Möglichkeiten und der Begegnung; z.B.: Brot für die Welt; Act Alliance, Weltkirchenrat usw.)
- Engagement: Diskussionen im Plenum und Resolutionen
- Vor Gott: Abendandacht und Abendmahl
Für die Andachten gab es einen ganz besonderen Platz: Um Bäume, die auf dem Konferenzgelände standen, war ein grosses Gottesdienstzelt errichtet worden. Es war ein wunderbarer Ort, um den Tag mit Gottes Segen zu beginnen und abzuschliessen.
Terry MacArthur und Pfarrer Steven Larson (ehem.) aus der engl.sprachigen Gemeinde Genf als Teil des internationalen Gottesdienstteams haben ganz berührende Gottesdienste mit wundervoller Musik mit uns gefeiert. Ich durfte an vielen Andachten sowie beim globalen Gedenken an den 500. Jahrestag der Reformation im Sam- Nujoma- Stadium mitwirken. Dieser mehrstündige Gottesdienst (4 Std.) mit über 10.000 Teilnehmenden wurde live im Namibischen Fernsehen und im Netz übertragen und wird bald als Video/DVD beim LWB erhältlich sein.
Ich durfte auch eine der 20 Dorfgruppen als Vorsitzende leiten, was eine sehr dankbare, aber auch intensive Arbeit war. Nach jeder Dorfgruppensitzung musste ein Bericht mit nicht mehr als 400 Wörtern angefertigt werden, in dem die Diskussion und Vorschläge zu Resolutionen zusammengefasst werden sollten. Und dieser sollte dann spätestens 1 Stunde nach Sitzungsende beim Redaktionsausschuss für die Schlussbotschaft eingereicht werden.
Dank neuester Technik waren die Vorsitzenden der Dorfgruppen bereits im Vorfeld per
Live –Schaltung gewissenhaft auf diese Aufgabe vom Gemeinschaftsbüro in Genf vorbereitet worden.
Das Hauptreferat hielt Dr. Denis Mukwege aus der Demokratischen Republik Kongo, der ein vielfach ausgezeichneter Gynäkologe und Gründer des Panzi-Krankenhauses in Bukavi ist. Er ist international anerkannt für seine Arbeit mit Frauen, die im Rahmen der bewaffneten Konflikte im Kongo geschlechtsspezifische Gewalt (Vergewaltigung als Kriegswaffe, Genitalverstümmelung bei jungen Mädchen und Frauen) erfahren haben, sowie für seinen unermüdlichen Einsatz für Gendergerechtigkeit, Konfliktprävention und Frieden. Im Rahmen des Hauptthemas (Befreit durch Gottes Gnade) hat er aufgezeigt, wie die Glaubwürdigkeit des Evangeliums und eine Theologie der Wertschätzung der Frauen dazu beitragen können, die Situation der Frauen zu verbessern. Die Kirche muss dorthin gehen, wo es wehtut und muss die Freiheit des Wortes Gottes wiederfinden, indem sie zur Stimme derjenigen wird, die keine Stimme haben. In bewegenden Worten hat er dazu aufgerufen, Bildung und Erziehung auf allen Stufen zu fördern und vor allem eine gewaltfreie und Geschlechter wertschätzende Sprache zu finden.
Neben den vielen sehr guten theologischen Vorträgen, die die Unterthemen beleuchteten und die ich aus Platzgründen nicht im Einzelnen referieren kann, hat die Vollversammlung einen neuen Präsidenten und Rat gewählt. Erzbischof Musa Panti Filibus aus Nigeria wurde für die kommenden Jahre zum Präsidenten des LWB gewählt. Er ist kein Unbekannter, hatte er doch einige Jahre als Direktor der Abteilung für Mission und Entwicklung im LWB gearbeitet.
Es war eine wunderbare, sehr arbeitsintensive und gut vorbereitete Vollversammlung mit schönen Gottesdiensten, fruchtbaren Begegnungen und, wie ich finde, guten Ergebnissen für die Weiterarbeit im LWB.
Meine Amtszeit als Ratsmitglied ist nun vorbei und für die kleinen Kirchen in Zentral-Westeuropa als neue Vertreter wurden Frau Cordelia Vitiello aus der Evang.-Luth. Kirche in Italien (ELKI) und Christian Albecker, Präsident der Vereinigten Evangelischen Kirche von Elsass-Lothringen gewählt.
Es war mir eine grosse Freude und Ehre, den BELK und die anderen kleinen Kirchen Zentral-Westeuropas über 7 Jahre hinweg im Rat zu vertreten.
Dagmar Magold, 17. Mai 2017
„Mit traurigem Herzen“ verlässt Dagmar Magold (Genf) die 12. Vollversammlung des LWB. „Die Begegnung mit Menschen aus aller Welt kann man für kein Geld kaufen“, so die Delegierte vom Bund Evangelisch-Lutherischer Kirchen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein kurz vor Abschluss des Treffens am 17. Mai in der namibischen Hauptstadt Windhuk.
Das Mitglied des bisherigen LWB-Rates zeigte sich sehr beeindruckt, dass „Frauen, die es bisher nicht gewagt haben, öffentlich zu sprechen, in der Sitzung aufgestanden sind und von ihren Erfahrungen mit sexueller Gewalt erzählt haben“. Besonders gefreut hat sich die Theologin deshalb auch, dass die Resolution zu Geschlechtergerechtigkeit und geschlechtsbezogener Gewalt mit überwältigender Mehrheit angenommen worden ist. Dies betrachtet sie als „großen Fortschritt“ und als Erfolg der Frauen-Vorversammlung.
Klar geworden sei ihr in den Diskussionsrunden auch die herausragende Bedeutung von Bildung. „Sie ist die Grundlage für all das, was wir in den Resolutionen fordern“, betonte sie. Und wie die eine nicht auf ständiges Wachstum ausgerichtete Ökonomie in einem der Grundsatzvorträge dargestellt worden ist, nimmt sie als Vorlage für die Gemeindearbeit mit nach Hause.